3Kings 3Hills 2024
Ich dreh' mich zu meinem Hintermann um, als wir auf dem Weg hoch zum
Dreisessel sind. "Ist das ein Brett!". Er schaut mich leicht fragend an: "was?".
"Das ist mega das Brett". Er schaut weiter fragend. "Brett?". Jetzt hör ich
endlich raus, dass er wohl eine blau, weiß, rote Flagge in der Starterliste
haben muss. Immerhin sind wir hier im Grenzegebiet unterwegs und viele
der Starter und Starterinnen kommen aus Tschechien. "It's a hard race".
Jetzt sprechen wir eine Sprache. "Yes, but the view is amazing".
Recht hat er. Wir schauen uns gemeinsam kurz um, ehe wir weitergehen.
Laufen ist gerade nicht drin, hier geht es seit einer gefühlten Ewigkeit
bergauf. Die ersten Kilometer konnte ich gut bergauf laufen und viele Plätze gutmachen, aber jetzt ist erstmal Gehpause angesagt. Ich schau nach oben und die lange Bergaufpassage Richtung ersten VP zieht sich noch ein gutes Stück. Heute wird noch öfters wandern angesagt sein. Aber alles gut. Das macht richtig Laune.
Frisch aus der Dusche raus war ich auf dem Weg zurück zum Auto. Ich hatte gerade meinen ersten Ultra gefinished. Der U.TLW wird mir noch sehr, sehr lange in Erinnerung bleiben. Als ich einsteigen will, sehe ich am Scheibenwischer was hängen. Zu groß und zu bunt für 'nen Strafzettel. Muss ein Flyer sein. 3Kings3Hills. Ein Trailrunningevent über 4 Distanzen mit Livemucke, Kneippbecken und Festivalcharakter? Auch im Bayerwald? Genau mein Ding. Allerdings sollte das 2023 mit Trailrunning für mich dann leider doch nichts mehr werden. Der Flyer lag also lange in der Beifahrertür und ich hatte ihn oft im Blick. Für 2024 war der Lauf dann irgendwann aber endlich fest im Kalender angestrichen.
Kurz nach meiner Anmeldung kam Micha mit ins Boot und Viki wollte ihre
erste Erfahrung im Trailrunning sammeln. So machten wir uns am
13. Juli 2024 auf den Weg nach Haidmühle und waren gleich sehr zufrieden
mit dem Ambiente was uns erwarten sollte. Schnelle Startnummern-
ausgabe, keine Starterbeutel mit tausenden Flyern oder anderem
Werbematerial das man nicht braucht, Kuchentheke, nette Gespräche,
Erdinger alkoholfrei Stand, Bühne, kleine aber feine Gepäckaufbewahrung
und bei Burgern, Pommes und Pizza verhungert hier auch keiner.
Hier treffen sich wiedermal alle. Ultraläufer und Traileinsteiger,
von 6km mit 40hm bis 54km mit 2.300hm ist alles dabei. Micha und ich
haben uns für die 25km mit 820hm entschieden. Viki nimmt sich für ihren Einstieg die 14km mit 490hm vor. 7km straight hoch zum Dreisessel und dann 7km bergab und flach. Die Erste-Hilfe-Pflichtausrüstung die man dabei haben muss ist hier absolut sinnvoll und der Liter Wasser der mitgenommen werden soll hat auch durchaus seine Berechtigung, wie ich noch festellen werde. Das Briefing gibts in zwei Sprachen. Eine Dolmetscherin übersetzt das Niederbayerische souverän ins Tschechische. Wir reihen uns ein und pünktlich gehts los. Die Anfangskilometer sind recht flach und perfekt zum warm werden, ehe es auf die erste technische Passage geht. Hier geht es eng zu und die ersten gehen schon, denn es staut sich bereits leicht. Aber wer hier durchbrettern will, reiht sich ohnehin weiter vorne ein. Für mich voll okay. Ich bin nicht auf der Flucht. Es geht über einen ersten Singletrail bis zu einer kurzen, fast schon Kraxelnummer. Ich dreh mich um und sehe die Schlange aus Läuferinnen und Läufern hinter mir die sich ihren Weg über den schmalen Pfad bahnt. Was für ein geniales Bild. Ich stell mir das Ganze kurz mal Nachts mit Stirnlampen vor. Wie toll muss das aussehen. Den Blick wieder nach vorne geht es weiter bergauf. Die Strecke führt vorbei an einem kleinem See, der eigentlich mehr zum baden als zum vorbeirennen einlädt, und weiter auf direktem Weg zum Dreisessel. Die nächsten 5-6km wird es nur bergauf gehen. Es ist nicht allzu steil, zieht sich aber hart. Der Weg ist schön zu laufen und bergauf kann ich eigentlich meistens einige Plätze gutmachen. So auch hier. Viele gehen bereits und ich kann mich etwas nach vorne schieben. Doch irgendwann holt mich die Tatsache ein, dass hier und heute noch mehr zu bewältigen sein wird, als dieser Anstieg. Während die Beine dann nach und nach doch etwas schwerer werden und der Untergrund immer mehr an Technik fordert, lege ich eine erste Gehpause ein und bin mir sicher, dennoch wenig Zeit zu verlieren. In manchen Situationen macht es einfach Sinn anstelle zu laufen einen kleinen Powerhike einzulegen. Man verliert dabei nicht allzuviel Zeit, die Herzfrequenz geht mal ein bisschen runter und der Körper kann sich etwas erholen. Das zahlt sich hintenraus oft aus. Ausserdem ergibt sich so besser die Gelegenheit für kurze Gespräche und die Landschaft sollte auch nicht ausser Acht gelassen werden. Denn was hier
bis jetzt geboten wird ist allerfeinster Bayerwald. Oben am VP Dreisessel
lasse ich meine Softflasks wieder auffüllen. Der Wasserbedarf wird wohl
ziemlich hoch werden. Drei Salzbrezen zwischen den Zähnen müssen
reichen. Ein Hungerast kommt selten vor, aber Regel Nummer eins ist
nunmal: bleib hydriert. Es geht ein kleines Stückchen Asphalt bergab
und dann gleich links auf den nächsten Trail. Technisch, schick und
langgezogen. Das steinerne Meer wartet etwas weiter vorne auf und man
sieht der Piste mittlerweile den Regen der letzten Tage und die mehr
als 500 Ultras und Marathonis, die vor mir schon hier waren an. Matsch,
Pfützen, einsinken und das Ganze zwischen dicken Steinen und Wurzeln auf Singletrails. Am Anfang versuche ich noch trockenen Fußes hier durchzukommen, aber irgendwann liegt das Kind sprichtwörtlich im Brunnen und dann fühlt sich das plötzliche kühle Nass in den Schuhen richtig gut an. Fast bis zu den Waden im Matsch. Andere haben da noch mehr abbekommen. Ich frage mich wie man hier wohl durchlaufen muss, dass man am Ende über die 54km unter einer 6er Pace ins Ziel kommt. Ich kenne die Wege hier oben zwar ein wenig, jedoch eher vom Wandern bei trockenen Bedingungen und nicht beim Laufen mit durchgerocktem Untergrund. Dennoch, das macht auf seine ganz eigene Weise richtig Bock, auch wenn ich in der 5er Gruppe in der ich gerade bin, wieder den ein oder anderen Platz hergeben muss. Nachdem ich die Schlammschlacht überstanden habe, geht es über Felsbrocken, mit grandiosem Weitblick in die Ferne, immer technischer weiter. Ich kann bald wieder zu meiner Gruppe aufschließen und dranbleiben. Das nächste Stück geht gut bergab. Hier kann ich es schön rollen lassen und den Puls mal wieder etwas runterkriegen. Allerdings trotz allem mit etwas Druck, denn vorne einer an dem ich dranbleiben will, hinten eine die nicht locker lässt, gebe ich meinem Gaul die sporen das Tempo zu halten. Es geht wie durch den Urwald auf schmalen Singletrails weiter und der nächste Abschnitt macht erneut Höhenmeter, sodass ich mich wieder einige Plätze nach vorne laufen kann. Ich hab mein Tempo gefunden und kann es gut halten. Oben angelangt geht es Richtung Plöckenstein. Das Höhenprofil ist schon gut aufgefüllt. Viel dürfte jetzt nicht mehr kommen. Hier oben kann ich die Aussicht nochmal voll genießen. Das Wetter hält, auch wenn es langsam warm wird, denn die Wolkendecke reißt seit einer Weile auf.
Ich komme am Dreiländereck vorbei und bin schon wieder auf dem Weg zurück zum Dreisessel. Allerdings geht es, wie schon von Anfang an, sehr technisch zu und ich komme mir immer wieder vor wie bei einem jump 'n' run Klassiker, den wohl jeder kennen sollte. Es geht nochmal bergauf, ehe ich an VP 3 bin, den ich jetzt allerdings liegen lasse. Ich will nicht mehr stehenbleiben und der Wassertank gibt allemal noch genug her. Hier mache ich nochmal was an Plätzen gut und ab jetzt geht es nur noch den Berg runter. Die letzten 6-7 Kilometer stehen an und ich lass es laufen, so gut es geht. Hier kreuzen auch schon die ersten 14km Starter meinen Weg und ich halte die Augen nach Viki offen, die hier irgendwo dabei sein sollte. Noch 3 Kilometer und ich hab sie eingeholt. Sie lächelt noch und ist gut durchgekommen. So soll's sein. Ab jetzt geht es nur noch flach bis ins Ziel und ich freu mich aufs Kneippbecken, denn meine Beine haben sich eine Abkühlung verdient. Die letzte gab es oben im Schlamm, das ist ne gefühlte Ewigkeit her. Das Eck hier ist jetzt wirklich "Runner's heaven". Es geht komplett flach, komplett lang bei komplett gleichbleibender Landschaft nur komplett geradeaus und das zehrt nochmal mental einiges aus mir heraus. Doch irgendwann höre ich den Zielsprecher und habe die letzten Meter vor mir. Vorbei am Kneippbecken, das ich erst später aufsuchen werde, noch einen kleinen Hügel hoch,
dann gehts durch den Zielbogen und ich bekomme meine Medaille um den Hals die, wie
ich finde, zum Glück mal wieder aus Holz ist. Holzmedaillen, gerade bei Trailruns passen
meiner Meinung nach einfach besser als Plastik- oder Blechscheiben. Ohnehin haben
Trailruns ein viel natur- und umweltpositiveres Mindset als die großen Stadtläufe.
Wenn ich nur an all die Müllberge der Plastikbecher bei den Städtemarathons denke,
lobe ich mir Veranstaltungen wie diese. 3Kings3Hills ist genau das Event,
das es sein soll: Schnelle Startnummernausgabe, keine Starterbeutel mit tausenden
Flyern oder anderem Werbematerial das man nicht braucht, Kuchentheke,
nette Gespräche, Erdinger alkoholfrei Stand, Bühne, kleine aber feine Gepäckaufbe-
wahrung und bei Burgern, Pommes und Pizza verhungert hier auch keiner. Und auch
für die schnelle Regeneration wird was getan. Die Duschen bleiben sehr zu meiner
Freude kalt und das wunderschöne Natur-Kneippbecken ist keine 300m vom Ziel entfernt.
Und trotzdem: Der Weg ist das Ziel und der hier ist ein Brett. In jeder Sprache.